Am nächsten Morgen gings vom Nationalpark aus ab in den Norden, Richtung Nairn. Diese Stadt liegt direkt am Meer, genauer gesagt am Moray Firth. ‘Firth’ ist im Endeffekt dasselbe wie ein Fjord, nur halt schottisch.
Im Vorbeifahren entdeckten wir einen Outdoor-Klamottenshop und kleideten uns sogleich (mit 60 % Discount :)) wasserdicht ein. Danach spazierten wir dem Sonnenuntergang entgegen am Moray Firth entlang und bewunderten die fantastischen Berge, Täler und Schlieren, welche die See über die Jahrtausende in die Sandsteinbänke geschliffen hatte. An vielen Stellen entstehen dabei Kessel, in denen man mit viel Glück Krebse, Seesterne, Muscheln und andere Lebewesen finden kann. Das wird Rockpooling genannt. Bis auf einen Seestern und ein paar tote Krabben war uns das Glück jedoch nicht hold. Nichtsdestotrotz suchten wir begeistert wie Fünfjährige den Strand bis zum Sonnenuntergang ab.
Tags darauf fuhren wir Richtung Inverness, machten einen kurzen Stopp am ehemaligen Zuhause von Lilos Familie und einen am Schlachtfeld von Culloden Moor.
Auf diesem sumpfigen, nebligen und von hohen Sträuchern überwucherten Feld standen sich am 16. April 1746 die Armee der Jakobiten, hauptsächlich schottische Clans, und Truppen des Empires gegenüber.
Grund für den Krieg waren Thronstreitigkeiten. Prinz Charles wollte die britische Krone für seinen im Exil lebenden Vater erringen, der, nach Ansichten der Jakobiten, der rechtmäßige Thronerbe war. ‘Bonnie Prince Charlie’ landete 1745 in Großbritannien, zog Truppen zusammen und verbuchte einige Siege. Dann überzeugte er seine Generäle davon, dass, sobald sie in England einmarschierten, große Mengen von englischen Jakobiten sich ihnen anschließen und außerdem französische Truppen in Südengland landen würden.
Als Beides ausblieb, zogen sie sich wieder aus England zurück. Die Armee kam zunehmend in die Defensive und Soldaten begannen zu desertieren, da kaum noch Vorräte vorhanden waren. Dies gipfelte in der Schlacht bei Culloden in dem Versuch, die Stadt Inverness als letzte Nachschubstation zu sichern. Jedoch erlitten die Jakobiten und Prinz Charles eine heftige Niederlage.
Diese Schlacht hat große Bedeutung für Schottland, da danach Stück für Stück der Highland Way mit seinem Clan-System und der angestammten Bevölkerung verdrängt und durch ein auf Gewinnerzielung basierendes System des Wirtschaftens ersetzt wurde. Das angestammte Land der Bauern wurde nun nicht mehr gerecht verteilt, sondern verpachtet und musste von Ihnen bezahlt werden. Die ‘Chiefs’ der Clans verwandelten sich in Lairds, von Wächtern zu Verpächtern. Wer nicht zahlen konnte, wurde vertrieben. Ein Großteil der Flächen wurde von Ackerflächen zur Versorgung der Bevölkerung zu Weideflächen für Schafe und Kühe, deren Erzeugnisse nach Anderswo verkauft wurden. Als ‘Highland Clearences’ zu Deutsch ‘Highland Säuberungen’ ging dieser Vorgang in die Geschichte ein.
Die nächste Station waren die Clava Cairns, nahe Inverness. Viertausend Jahre alte, runde Steinbauten mit einem Gang in die runde Mittelkammer, umgeben von einem Steinkreis aus sehr hohen Findlingen. Man geht davon aus, dass sie für Feuerbestattungen verwendet wurden.
Das eigentlich Beeindruckende jedoch ist die Anordnung der Grabstätten. Die Drei Rundelle sind so angeordnet, dass die Gänge nach Südwesten zeigen. Am Tag der Wintersonnenwende, also am kürzesten Tag im Jahr, geht die Sonne im Südwesten unter. Genau an diesem Tag, wenn die Sonne untergeht, scheint sie direkt durch den Gang hindurch und lässt die Wand dahinter aufleuchten. Man stelle sich vor, welch ein Erlebnis es für die Menschen damals gewesen sein muss, in der härtesten Kälte und Dunkelheit des Winters die Wärme der Sonne so gebündelt auf sich zu spüren, wie den Blick eines Gottes.
Nach einem kurzen Spaziergang durch einen malerischen Wald am Loch Ness schlugen wir unser Nachtlager auf einem Platz direkt am Meer auf, um mit Wellenklang in den Ohren einzuschlummern.
Frühmorgens fuhren wir von Inverness über die North Coast 500 (eine 512 Meilen lange Strecke entlang den nördlichen Küsten Schottlands, die in Inverness started und endet) nach John o’Groats, dem nord-östlichsten Dorf Schottlands und machten uns für eine Wanderung bereit. Voll ausgestattet mit wasserdichter Kleidung, ebensolchen Schuhen und Essen starteten wir in Richtung Duncansby Head, ein Leuchtturm am höchsten Punkt der Klippen.
Die Strecke war fantastisch, Wind und Wetter zerrten an uns, das Brausen und Toben des Meeres in der Brandung klang gewaltig in unseren Ohren. Auch machten wir die Erfahrung, dass man in Schottland dem Boden oft nicht zu weit über den Weg trauen sollte. Wir taten einen Schritt auf vermeintlich festen Untergrund, der sich dann jedoch verschob, wackelte und wobbelte, als wären wir auf ein Wasserbett getreten. Es muss sich wohl irgendwie das Wasser einen Weg unter die Erde gebahnt und sich angesammelt haben, wie eine Art Blase. Runter gegraben und geschaut haben wir dann doch nicht :)
Den Leuchtturm erreicht zogen wir sogleich weiter, um es vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück zum sicheren Auto zu schaffen. Kurz ins Tal hinab ging es sogleich wieder aufwärts und langsam aber stetig schoben sich zwei steinerne Spitzen Schritt für Schritt in unser Blickfeld. Auf dem nächsten Hügel angekommen staunten wir ehrfürchtig auf die beiden Felsnadeln, die neben der Küste in den Himmel ragten, die Duncansby Stacks. Es sah aus, als hätte ein gewaltiger Riesenkönig dort seinen Thron stehen gehabt, doch ein anderer ihm geneidet und den Sitz zerschlagen, sodass er in sich zusammenfiel. Nur die beiden Spitzen, auf denen einst die Armlehnen des Stuhls und dort die Pranken des gewaltigen Königs gebettet waren, zeugen noch heute für das fantasievolle Auge von früherer Pracht.
Mit dieser Aussicht picknickten wir schnell, da es verdammt kalt und dunkel wurde, und machten uns auf den Rückweg. Hatten wir auf Hinweg noch Sonnenschein und Wärme genossen, so änderte sich das Wetter schlagartig, wie in Schottland oft der Fall, und es schüttete wie aus Eimern. Was uns sehr freute, denn so konnten wir testen, wie wasserdicht unsere neuen Klamotten wirklich waren. Antwort: Absolut!
Der Tag war der absolute Hammer und ich kann John o’Groats nur jedem empfehlen, der nach Schottland kommt.
Das war’s für jetzt, bleibt gesund und bis bald!