All of Time and Space

Helden Im Kilt

Nach den langen Fahrten durch die malerisch-märchenhaft schönen schottischen Highlands wollten wir etwas über die Geschichte des Landes lernen. Also machten wir uns auf nach Bannockburn, einem Ort im Süden Schottlands.

Angekommen waren wir zunächst ein wenig irritiert, denn das kleine Touristencenter hatte, wegen Corona, geschlossen. Auf dem weiten aber unspektakulären Feld war nichts zu sehen als ein Rundell mit einem schottischen (zugegeben sehr hohen) Fahnenmast an dessen Spitze die Nationalflagge flatterte und einer Statue von Robert the Bruce.

Also setzten wir uns auf eine Bank und begannen, in Ermangelung von hochmotivierten Touristenführern, auf Wikipedia nachzulesen was eigentlich an diesem Platz nun so Besonderes war.

Genau hier, auf dem Grund und Boden, auf dem wir umhergewandelt waren (Oder zumindest irgendwo in der Nähe) fand eine entscheidende Schlacht statt, in der die Schotten den Engländern eine empfindliche Niederlage zufügten. Grund für den Krieg war das Bestreben die schottische Unabhängigkeit vom englischen König Edward II zu erlangen. Die in der Nähe liegende Stadt Stirling wurde 1314 von der schottischen Armee belagert. Um die Belagerer zu vertreiben, hob Edward ein gewaltiges Heer aus. Daraufhin zogen die Kiltträger sich von der Stadt zurück und formierten sich neu.

Zwischen den beiden Flüssen Bannock Burn und Forth bezogen die beiden Heere Stellung. Robert the Bruce, der seither im ganzen Land als Nationalheld gefeiert und verehrt wird, stellte sich mit 5000 Mann einer englischen Übermacht von ca. 20000 Soldaten, von denen ein Großteil schwer gepanzerte Ritter waren.

Roberts Streitmacht hingegen bestand hauptsächlich aus Fußsoldaten, die sich in einer Formation namens Schiltron bewegten. Mit langen Speeren und Schilden bewaffnet und eng nebeneinander stehend bildeten sie eine beinahe unüberwindliche Mauer und machten der englischen Kavallerie den Garaus.

Auch die Kurzsichtigkeit der englischen Führung kostete sie den Sieg, da diese ihre vielen Männer zu nah und eng zwischen den Flüssen postiert hatten und so sich nur langsam und mit Mühe formieren konnten. Zusätzlich war der Untergrund sumpfig und erschwerte den Reitern das Vorankommen.

Vor allem aber versagte König Edward als Feldherr. Er ließ die Reiterei zuerst vorpreschen, das Fußvolk kam nur langsam hinterher. Die Kavallerie wurde jedoch von den langen Speeren der Schotten besiegt und trat den Rückzug an um sich neu zu aufzustellen.

Dabei kam es zu einem ungeheuren Gedränge mit den nachrückenden Fußsoldaten und die Schotten nutzten die Gelegenheit, um die Menge Richtung Fluss zu drängen. Die Engländer, die nicht von den eigenen Pferden niedergetrampelt oder von Speeren aufgespießt wurden, ertranken im Fluss (Schwimmen war damals noch nicht so in wie heute) und der Rest rettete sich ans andere Ufer, an dem die schottische Reiterei die englischen Bogenschützen niedergemacht hatte. Edward II hatte in seinem Schlachtplan versäumt, sie zu schützen. Der König selbst entkam nach der verheerenden Niederlage nur knapp und floh, nachdem man ihm den Einlass in die Festung Stirling verwehrt hatte, in einen nahegelegenen Hafen um per Schiff nach England zu gelangen.

Nach der Schlacht erkannte König Edward II die schottische Unabhängigkeit nicht an und es kam noch Jahre später zu schweren kriegerischen Auseinandersetzungen, bis 1328 König Edward III und der Papst Robert the Bruce als König akzeptierten und erstmals die schottisch-englische Grenze festgelegt wurde. Dennoch wird dieser Sieg bis heute mit der Unabhängigkeit in Verbindung gebracht und gefeiert.

So hatte uns, bei all den Geschichten über Schlachten, Helden und Könige die Lust gepackt. Also nichts wie auf nach Stirling Castle, was, wie wir herausgefunden hatten, ja gleich um die Ecke lag.

Robert the Bruce Statue

Bannockburn Feld

Füße bei Bannockburn

Stirling Castle liegt, wie es bei einer strategisch wichtigen Burg oft der Fall ist, hoch auf einem Felsmassiv, was sie schwer angreifbar macht.

Dementsprechend steil ist auch die Straße diesen Berg hinauf und an manchen Stellen hatten wir schon Angst, dass die Pferdestärken unseres guten Atlas nicht ausreichen und wir wieder hinunterrollen würden. Aber ein Atlas wäre nicht ein guter Atlas, wenn er nicht nur die Welt auf den Schultern, sondern auch uns steile Berge hinauftragen könnte.

Oben angekommen parkten wir direkt neben einem Friedhof, den Ich mir, Steinmetz der Ich bin, nicht entgehen lassen konnte. Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass sich die britische Grabsteinkultur von der Form her nicht großartig von der deutschen unterscheidet. Allerdings findet man vor Allem in Schottland und Irland (Hier vermute ich nur, da wir noch nicht dort waren) häufig das Motiv des keltischen Kreuzes. Das rührt daher, dass die christianisierten Bewohner, wie es in ganz Europa der Fall war, ihre ursprüngliche Kultur, ihren Glauben und ihre Gebräuche, Feste und Riten in die neue Religion mit integrierten. Auch ihre Kunst und Symbolik verwoben sich mit der christlichen und haben bis heute in sakraler Ornamentik überdauert.

Nach einem gemütlichen Gang durch die Grabstätten stiegen wir eine steile Treppe hinauf und gelangten zu einem großen Vorplatz vor der eigentlichen Burg.

Grabsteine um Baum

Grabstein und Stirling Castle

Zuerst stach die Burg ins Auge, direkt gefolgt von einer großen Statue eines teuer gekleideten und bewaffneten Königs, offensichtlich Robert the Bruce. Abgesehen von der Autorität, die er ausstrahlte, beeindruckte mich vor Allem das handwerkliche Geschick, mit welchem die Statue gemeißelt wurde.

Nachdem unser Durst nach Kultur fürs Erste gestillt war, stellte sich ein Hunger nach Süßem ein. Ein Glück, dass auch für dieses, bei Touristen scheinbar stark ausgeprägtes Bedürfnis, eine schnuckelige kleine Eisdiele bereitstand. Was war das für ein Eis! Bisher (Ohne Übertreibung) das beste Eis, dass ich jemals gegessen habe! Bin sehr gespannt auf Italien im nächsten Jahr, da soll ja das schmackhafteste Eis der Welt auf Bäumen wachsen :)

Abgesehen von diesen kulturellen und kulinarischen Köstlichkeiten fanden wir etwas, was mir ein wenig schwer im Magen lag. Ein Kriegerdenkmal für die ‘gefallenen Helden’, die im zweiten Burenkrieg in Afrika tapfer ihr Leben ließen. In diesem Krieg kämpfte das britische Empire gegen die Buren, europäischstämmige Weiße, die seit dem 17. Jahrhundert dort von Landwirtschaft lebten und sich als Afrikaner verstanden. Hauptsächlich wollte das Empire die Gegend wegen ihrer immensen Diamant- und Goldvorkommen unter Kontrolle bringen. Großbritannien besiegte die burischen Streitkräfte unter anderem damit, dass sie die burischer Soldaten unter Druck setzten, ihre Familien in ‘Concentration Camps’ zu internieren. Daher der heutige Begriff ‘Konzentrationslager’.

Ok, nun aber genug der düsteren Vergangenheit. Wir wollten selbstredend auch in die Burg hinein, aber dank Corona muss beinahe alles im Voraus gebucht werden, außerdem ist es in Großbritannien sehr teuer Orte wie diesen zu besichtigen.

Schild vor Stirling Castle

Stirling Castle

Robert the Bruce Statue nahe

Also drehten wir uns um und erblickten auf einem Berg ein paar Meilen entfernt einen spitzen Turm. Ein bisschen Google später wussten wir, dass es sich dabei um das Wallace Monument handelte, gewidmet William Wallace, dem schottischen Freiheitskämpfer und Körper der bekannten Rolle von Mel Gibson im Film “Braveheart”.

Das nächste Ziel war gefunden. Ruckzuck sind wir den Berg runter, ins Auto gehüpft und losgedüst.

Wallace Monument aus der Ferne

Angekommen machten wir uns auf den steilen Weg nach oben, der gesäumt war von diversen teils erhabenen, teils witzigen Holzgestalten. Dies erleichterte ein wenig den Aufstieg, auch wenn wir ziemlich keuchten, weil meine bessere Hälfte immer, sobald ein Berg zu erklimmen ist, doppeltes Tempo vorlegt.

Aber nur nicht den Kopf verlieren :)

Mike als Statue

Mike lacht Statuen aus

Das Wallace Monument, erbaut 1869, steht beeindruckend Wache über die umliegende Gegend. Dass es genau dort errichtet wurde ist kein Zufall, denn 1297, also 17 Jahre vor der Schlacht von Bannockburn, standen William Wallace und Andrew Murray und beobachteten die Ankunft und Aufstellung der englischen Armee von Edward I.

Sie entwickelten von diesem Punkt aus einen brillanten Schlachtplan, der den nachfolgenden Kampf für die siegessicheren Engländer in eine blutige Katastrophe verwandelte. Gegen deren militärische Übermacht war mit reiner Truppenstärke nicht anzukommen, welche die Schotten auch gar nicht besaßen.

Daher nutzten sie den geschlängelten Fluss und positionierten ihre Soldaten so, dass die Gegner nur über eine kleine Brücke zu Ihnen gelangen konnten.

Deswegen ist die Schlacht auch als “Battle of Stirling Bridge” bekannt. Es gelang Wallace die gegnerischen Truppen, hauptsächlich Kavallerie, hinüberzulocken und dann durch ihre Schiltronformation zum Flussufer zu drängen. Der Fluchtweg zurück wurde durch die nachrückenden Soldaten versperrt und Chaos brach aus. Die Schotten hatten leichtes Spiel und gewannen die Schlacht. Für ausführliche Infos zur Schlacht und Wallace gibts hier einen Link :) https://www.youtube.com/watch?v=ViL7lD3mEFI

Von der Spitze des Turms hat man einen atemberaubenden Ausblick auf das umliegende Land und insbesondere auf eben das Feld und die Brücke, auf denen die Schlacht stattfand.

Wallace Monument von unten

Wallace Monument seitlich

Wallace Monument treppe seitlich

Wallace Monument vorne

Wallace Statue an Monument

Luftgewölbe Wallace Monument

Luftgewölbe seitlich

Stirling Schlachtfeld heute

Berge um Stirling

Gerade rechtzeitig für einen romantischen Sonnenuntergang erreichten wir Loch Venachar.

Jeder schöne Tag geht irgendwann zu Ende, aber da wir so im Geschichtsfieber waren, mussten wir uns natürlich am Abend noch den Film Braveheart anschauen. Hauptsächlich um, nachdem wir nun so detailliert über die tatsächliche Geschichte Bescheid wussten, zu bemängeln, was Alles historisch inkorrekt war.

Naja, man hat, was das angeht, von Hollywood nicht viel zu erwarten, aber sehr traurig fanden wir doch, dass die große Schlacht um die Brücke von Stirling weder eine Brücke noch einen Fluss noch die geniale Strategie beinhaltete, was die Gründe für den Sieg waren.

Tja, das war unser Exkurs in die schottische Geschichte, hautnah und genau da, wo es tatsächlich passiert ist. Ein tolles Gefühl, kann ich nur jedem empfehlen :)

Bis Bald!

Mike

Loch Venachar Sonnenuntergang

Loch Venachar

Loch Venacher mit Sonne